Glaube ist gefährlich für Diktaturen

18 June, 2023

Photo: Albin Hillert/CEC
Photo: Albin Hillert/CEC

Cornelia Kästner-Meyer
Leitende Kommunikationsreferentin des Lutherischen Weltbundes

Die belarussische Politikerin Sviatlana Tsikhanouskaya fordert die europäischen Kirchen auf, für die Menschen in Belarus und der Ukraine zu beten und ihre Stimme für „wahren Frieden, wahre Brüderlichkeit und wahre Liebe“ zu erheben. In einer Grundsatzrede am 15. Juni auf der KEK-Generalversammlung 2023 in Tallinn führte sie aus, wie Kirchen in Europa Moral und Freiheit schützen können.

„Beten Sie für diejenigen, die leiden, beten Sie für unsere politischen Gefangenen, beten Sie für das belarussiche Volk und seine Befreiung von der Tyrannei, beten Sie für das ukrainische Volk, seine Freiheit und Sicherheit“, sagte sie.

In den Jahren 2020–2023 wurde Sviatlana Tsikhanouskaya zum Symbol des friedlichen Kampfes für Demokratie in Belarus, und für weibliche Führungsstärke. Die Vorsitzende der Vereinigten übergangsregierung sprach über die politische Situation in Belarus und den Krieg in der Ukraine und beschrieb beide Situationen als einen Konflikt zwischen Brüdern, bei dem ein Angreifer den Begriff der Brüderlichkeit verdrehte, um seine Dominanz zu behaupten. „Wenn Imperien von Brüderlichkeit sprechen, neigen sie dazu, kleinere Nationen und Länder in ihrer ‚brüderlichen‘ Umarmung zu erwürgen“, sagte sie.

„Echte Brüderlichkeit muss ein Gefühl unter Gleichen sein: Sie setzt Gleichheit voraus. Wahre Brüderlichkeit zielt nicht auf Ausbeutung oder Schaden ab“, sagte der Politiker. Und um den rein männlich besetzten Begriff zu relativieren führte sie an vielen Beispielen aus, wie besonders Frauen und gläubige Menschen dieses Ideal in ihrer Heimat verteidigen.

Kirchen und Kirchenleitende in Belarus sind jedoch auf beiden Seiten des Konflikts anzutreffen. Viele haben ihre Freiheit und sogar ihr Leben riskiert, um das Ideal der Gewaltlosigkeit zu verteidigen, andere haben sich jedoch mitschuldig gemacht, indem sie Krieg und Unterdrückung gesegnet haben. „Repressive Regime versuchen immer, gläubige Menschen zu kontrollieren – durch Unterdrückung, Manipulation und manchmal sogar durch Privilegien – und erkaufen sich die Loyalität von Kirchenführern“, betonte Tsikhanouskaya.

Im heutigen Europa können Religionsgemeinschaften und gläubige Menschen „eine wichtige Rolle dabei spielen, den Frieden in der Gesellschaft zu fördern, die Hoffnung in einer Diktatur aufrechtzuerhalten und zum demokratischen Wandel beizutragen“, schlussfolgerte Tsikhanouskaya. „Menschen, deren Glaube sie lehrt, nicht zu töten, nicht zu stehlen, kein falsches Zeugnis abzulegen, die Gott mehr ehren als politische Führer, deren moralische Stärke durch ihren Glauben gestärkt wird – sind für Diktaturen äußerst gefährlich und in Demokratien äußerst notwendig.“

Die Fhrerin der belarussischen Demokratiebewegung forderte die Kirchenführer auf, ihre Macht zur Unterstützung der Menschen in Belarus einzusetzen: die Freilassung politischer Gefangener zu fordern, insbesondere von solchen mit Vorerkrankungen wie Krebs und Diabetes, für Religionsfreiheit einzutreten, die Situation in Belarus in Gottesdiensten und Gebeten zu thematisieren, und Räume zu schaffen für den Dialog zwischen den Konfliktparteien.

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